Leben im Schleudergang- Wenn das Kind ADHS hat

 

 

Ich habe ADS. Mein 23jähriger hat ADS. Mein 5jähriger hat ADHS.

 

   .Aufmerksamkeits

   .Defizit

   .(Hyperaktivitäts)

   .Syndrom

 

Ich möchte hier und jetzt nicht darüber schreiben ob es ADHS gibt oder nicht. Auch nicht darüber ob es sich eigentlich nur um ein unerzogenes, oder nicht ausgelastetes Kind handelt. Oder ob ADHS durch Zucker oder Fleischkonsum, oder Medienzeit ausgelöst wird.

Dieser Blog soll keine Lanze für oder gegen Medikamente brechen.

Ich möchte nur schreiben wie es uns damit geht. Was unsere Gedanken, Emotionen und Erlebnisse mit diesem Thema sind.

Jede Familie ist anders, jedes Umfeld und jedes Kind. Ebenso gibt es überall unterschiedlich Anforderungen, damit man bestmöglich seinen Alltag bewältigen kann.

Ich hoffe inständig, das alle die diesen Blog lesen, davon absehen andere zu verurteilen!!!

 

Soweit ich es vor etwa 15 Jahren gelernt habe, ist ADS der ruhige, verträumte Typ. ADHS sind wilde kaum zu bändigende Kinder (oder Erwachsene).

Im Laufe der Jahre, und in Kommunikation mit verschiedenen (Fach)Menschen, habe ich aber verschiedenste Annahmen gehört.

Kürzlich erst, habe ich gehört das es das H bei beiden Typen gibt. Einmal hyperaktiv, das andere hypoaktiv.

Hyperaktiv ist eben der körperlich sehr unruhige Typ. Hypoaktiv trifft mich mit ADS voll und ganz, es bedeutet das wir unruhig im Kopf sind. Fand ich unglaublich spannend, und schlüssig.

Das Leben, als mein 23 jähriger klein war, war sehr aufreibend. Ich habe alle Hilfsangebote angenommen. Bin bei etlichen Psychologen und Ärzten gewesen. Eine Zeit war er auch in einer Tagesklinik. Ich hab mich zerrissen. Ich habe abends geweint, und tagsüber gekämpft. Aber irgendwie und irgendwann ist mein Sohn erwachsen geworden. Und ich habe mich regeneriert. Und mein Sohn ist toll geworden. Er führt jetzt sicher kein klassisches, konventionelles Leben. Aber er führt ein gutes Leben.

Und dann, ungeplant und unerwartet, wurde ich mit meinem jetzt 5 jährigen schwanger. Und auch wenn es unglaublich klingt, ich habe in der Schwangerschaft schon gemerkt, da stimmt was nicht. Ich war glücklich, über dieses Leben in mir, aber ich hatte so viel Angst! Angst die niemand nach vollziehen konnte. Und so kam dieses kleine Wunder in unser Leben. Diese kleine wundervolle Persönlichkeit nahm seinen Platz in meinem Leben ein, wie ein Hurrikan.  Sein ganzes Wesen war immer irgendwie zu viel. Zu viel Unruhe, zu viel Bedürfnis nach permanenter Nähe, zu viel Hunger, zu viel eigener Wille, zu viel Widerwille sich an die einfachsten Regeln zu halten. Zu viel Energie, zu viel Antrieb, zu viel...

Mit 9 Monaten ist er gelaufen, ab da war auch nichts mehr sicher. Ein Nein wurde bis heute nie akzeptiert. Alles wird ausgekämpft. Er ist super schwer zum schlafen zu bringen, und genauso schwer ist es sein Ess-Verhalten zu regulieren. Er tobt, er schreit, er macht Dinge kaputt, haut, tritt und beißt. Er ist eben wirklich wie ein Hurrikan, in unserem Leben! Er ist aber auch fürsorglich, empathisch und humorvoll. Im Kindergarten ist es schwer ihn zu bändigen, aber er wird nicht ausfallend oder grob. Er ist ein fester fröhlicher Bestandteil in der Gruppe, von den anderen Kinder gern gemocht. Aber Zuhause, wo er sicher ist, lässt er alles raus.

Er ist absolut nicht in der Lage sich zu regulieren. Jeder noch so kleine Frust wird bei ihm zu einem Riesendrama.

Und er weiß sehr genau was er will, und was nicht. Und wehe es wird dagegen gehandelt. 

Er weint aber auch oft, und braucht meine Nähe um sich nach einem Ausbruch wieder zu beruhigen. Das Leben mit ihm ist für uns alle herausfordernd. Aber da ich seine Haupt Bezugsperson bin, und er ein Mama Kind ist, bin ich den ganzen Tag am herumschleudern, zwischen seinen Launen und Bedürfnissen.

Uns wurde angeraten ihn auf Medikamente ein zu stellen. Die Entscheidung zu diesem Thema war sehr schwer. Vor allem, da ich bei meinem 23zig jährigem so schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Ausschlaggebend war, das wir völlig überrascht festgestellt haben, das er schon etwas lesen, schreiben und buchstabieren kann. Wenn er ruhig und konzentriert ist. Und das schafft er nur wenig und sehr kurz.

Eine Ärztin meinte zu uns, wir sollten einmal eine andere Sichtweise annehmen. Nämlich was er unter Umständen mit Medikamenten alles erreichen kann, was wir ihm verwehren, wenn wir es nicht mal ausprobieren.

Dieses Argument konnten wir nicht von der Hand weisen. Und die Medikamente sollen ihn ja nicht in seiner Persönlichkeit ändern, nur helfen besser klar zu kommen. Er hat ja auch einen Leidensdruck.

Wir haben also angefangen mit Ritalin. 3 Tage 2,5mg, 3 Tage 5mg, 3 Tage 7,5mg und dann 10mg. Wir sind jetzt mit 5mg durch. Bisher können wir weder eine Wirkung noch Nebenwirkungen feststellen. Auch keinen Rebound Effekt.

Nächste Woche ist er Zuhause. Da werden wir es besser sehen. 

Es gibt Entscheidungen die sind nicht leicht. Es scheint kein richtig oder falsch zu geben. Vor allem kann man es vorher nicht absehen. Wir alle mussten solche Entscheidungen schon treffen. Gerade deshalb wäre es schön, wenn mehr gewertschätzt wird das man sich entschieden hat, obwohl es so schwer fällt, statt das man verurteilt wird.

Aber gerade ADHS ist da ein ganz eigener Kriegsplatz. Weil das Leben mit einem Neurodiversem Kind nicht ohnehin schon alles von uns fordert, oft viel mehr als wir glauben, schaffen zu können, müssen wir uns noch mit etlichen Vorurteilen herum plagen. Meist von Eltern die kein ADHS Kind groß ziehen müssen. Und nicht zu vergessen, das meist ein Elternteil selbst Neurodivers ist, und sich selbst durch seinen Alltag kämpfen muss.

Aber der Mensch urteilt gern und schnell. Meist um sich unbewusst selbst besser da stehen zu lassen. Auch ich bin davor nicht gefeit. Bedeutet es doch eigentlich nur das wir mit uns selbst und unseren Bemühungen und Entscheidungen unsicher sind, oder Angst vor Verurteilung haben. Also machen wir unbewusst mit anderen das, wovor wir selbst so große Angst haben. 

Aber es gibt Dinge die wir nicht geändert bekommen. Schade , zusammen wären wir stärker und glücklicher, stattdessen kämpfen wir weiterhin allein. Mit Problemen, Entscheidungen und Angst vor Verurteilung. Kein Wunder das es so viele psychisch kranke Menschen gibt.

Leider habe ich das Gefühl, das es an Utopie grenzt, an ein besseres Miteinander zu glauben, in so vielen Hinsichten.

Bleibt also nur, mir für mich selbst, und euch viel Kraft zu wünschen, bei all den großen und kleinen Kämpfen die wir austragen müssen.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0